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S t a u b f ä n g e r

Kurzgedachtes. Momentaufnahmen. Gedankensplitter.

Er stirbt als ich beim Sektfrühstück mit meinen Freundinnen sitze. Als ich das Krankenhaus erreiche, wartet meine Mutter schon angespannt. Gemeinsam betreten wir sein Zimmer und in dieser Sekunde weiß ich, dass er fort ist. Wochen später sortiere ich Regalmeter an Büchern, türme sie zu Stapeln auf, verliere den Überblick und ertrage meine fassungslose Großmutter kaum, wie sie sich verstohlen mit einem weißen Spitzentaschentuch, immer wieder über die wässrigen Augen wischt. Ich habe all seine Bücher verschenkt. Es waren doch nur Staubfänger. Doch manchmal würde ich gern seine Ausgabe des „Faust“ in die Hand nehmen. Manchmal gern seine Bleistiftnotizen an den Seitenrändern lesen und manchmal, doch gern auch den Staub von den vergilbten Buchrücken pusten. Das Bedauern nagt an mir. Manchmal.

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(c) Ulrike Lichtenberg

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